Wie in § 3 Ziff. 2 der Systemurkunde (SU) zu sehen ist, darf man buchstäbliches ä nie durch e ersetzen. Davon betroffen sind also hauptsächlich ä in Abkürzungen wie o. ä. und am Wortende. Laut § 3 Ziff. 1 lit. a darf sinnbildliches ä jedoch als e geschrieben werden. In den dort gezeigten Beispielen werden folgende vier Fälle von dieser Regel ausgenommen:
- Wörter mit Verwechslungsgefahr (Ähre : Ehre, währen : wehren, Gäste : Geste),
- Konjunktive (gäbe : gebe, fände),
- Namen (Cäcilie), sowie
- Fremdwörter, in denen ä betont wird (Qualität).
Wer aber in Winklers Wörterbuch nachschlägt, wird dort eine Vielzahl von Wörtern finden, die nicht in diese Kategorien fallen und – aus scheinbar unerfindlichen Gründen – mit ä geschrieben werden: nämlich, ähnlich, nähren, klären, geärgert, verärgert. Das Wort Ärger ohne Vorsilbe wird aber mit e gezeigt – genau wie älter, das ich wegen der Verwechslungsgefahr Älteren : Eltern mit ä schreiben würde. Chaos? Finde ich auch. Im Folgenden werde ich versuchen, die Logik hinter dem Ersetzen des sinnbildlichen ä zu erläutern. Danach sollte auch ein wenig klarer sein, wie scheinbar inkonsequente Schreibungen ihren Weg in Winklers Wörterbuch finden.
Im „Kommentar zur Systemurkunde der Deutschen Einheitskurzschrift“ von Lambrich und Karpenstein (Winklers Verlag, 1968) bin ich zum Stichwort „ä-Symbol“ schnell fündig geworden. Das Werk ist in dieser Hinsicht (und auch ganz allgemein) sehr aufschlussreich. Gleich vorweg: nämlich wird aus einem besonderen Grund nicht mit e geschrieben, und zwar um es in der Eilschrift von namentlich unterscheiden zu können. Es ist damit eine Ausnahme gegenüber den restlichen Fällen, die sich in zwei große Kategorien einteilen lassen:
- Kriechbilder: Als Kriechbilder werden stenografische Wortbilder bezeichnet, die bei einer Schreibung mit e statt ä nur eine halbe Stufe hoch und somit undeutlich wären. Beispiele hierfür sind die oben erwähnten Wörter ähnlich, nähren und klären. In diesen Fällen wählt man die Schreibweise mit ä, um dem Wortbild mehr Körper zu verleihen und dadurch die Lesbarkeit zu erhöhen. Dasselbe gilt auch für Abwandlungen und halbstufige Erweiterungen dieser Wörter: ähneln, ernähren, verklären usw.
- Nach Vorsilben: Um zu verdeutlichen, dass der Stamm mit einer linksoffenen Silbe beginnt, ersetzt man ä nach den Vorsilben ge-, un-, ver-, vor-, ein- und Aufwärts-zu- nicht durch e. Hierdurch entsteht auch die Diskrepanz zwischen ge- bzw. verärgert (mit ä geschrieben) und Ärger (mit e geschrieben): Letzteres besitzt den Anstrich des r, wodurch klar ist, dass der Stamm linksoffen ist und es sich nicht um anlautendes r (wie in reger) handelt. Die Schreibung mit ä nach Vorsilben ist dieser Argumentation nach also dort nicht notwendig, wo ein Laut folgt, der in deutschen Wörtern nicht im Anlaut vorkommt. Beispiele hierfür sind geändert (da nd kein deutscher Anlaut ist) und verängstigt (auch ng ist kein Anlaut im Deutschen). Sie können mit e statt ä geschrieben werden. Nach der Vorsilbe um- (zum Beispiel in umändern) ist es übrigens empfehlenswert, bei der Schreibung mit ä zu bleiben. Dadurch wird „automatisch“ zur Grundlinie zurückgekehrt, was die Deutlichkeit erhöht.
Mit diesen sechs Hinweisen – die ersten vier direkt aus der SU, die letzten beiden aus dem zugehörigen Kommentar – sollte es kaum mehr unklare Fälle beim Ersetzen von ä durch e geben. Vielleicht noch nützlich zu wissen ist jedoch folgende, abschließende Bemerkung: Die im vierten Hinweis der Urkunde auftretenden, betonten fremden Schlusssilben mit ä sind -än, -är und -tät. Damit sollten alle Fälle von ä in deutschen und in Fremdwörtern abgedeckt sein.
Falls es Themen gibt, die euch in der Verkehrsschrift bisher absolut undurchsichtig erschienen sind, schickt mir doch über das Kontaktformular eine Nachricht. Wenn meine Bücher (oder ich) darauf eine Antwort haben, behandle ich die Fragestellung sehr gern in einem der folgenden Beiträge!