Wer viel mit der Hand schreibt, ist häufig Student oder Studentin. In den meisten Fällen ist die Schreibgeschwindigkeit dabei kein Hindernis, Gedanken oder Fakten zeitsparend zu Papier zu bringen. Das Denken ist der langsamere Prozess und limitiert das Schreiben mehr als die Handschrift an sich. Was ist aber in jenen Situationen, wo es ausschließlich um Schreibgeschwindigkeit geht? Zum Beispiel beim Erstellen von Vorlesungsmitschriften, wo während der Lehrveranstaltung die Vortragenden den Teil des Denkens und Formulierens für einen selbst übernehmen und man die wichtigsten Inhalte in Form wörtlicher Zitate festhalten kann? In solchen Situationen wäre es manchmal hilfreich, bloß ein wenig schneller schreiben zu können…
Schneller schreiben – das kann man mit Kurzschrift, auch Stenografie genannt. Dabei werden Laute, Wörter oder ganze Phrasen in ein kurzes Zeichen gepackt, eine Kompression von Sprache sozusagen. Die Arbeit des Komprimierens übernimmt dabei kein Computer, sondern unser Gehirn. Wenn es das Wort werden bisher als Kombination von sechs Buchstaben gebildet hat, setzt unser Hirn es im „Steno-Modus“ aus dem Stamm werd… und der Endung en zusammen. Aus sechs Zeichen werden also zwei: werd–en statt w–e–r–d–e–n. Die einzelnen stenografischen Zeichen sind obendrein kürzer als die Buchstaben, wie wir sie aus der Langschrift kennen. Die dadurch gewonnene Kürze fördert die Schreibgeschwindigkeit erheblich. Außerdem brauchen stenografische Notizen wesentlich weniger Platz als ihre langschriftlichen Geschwister, was vor allem für Marginalien auf überladenen Vorlesungsfolien oder für Eintragungen im Taschenkalender nützlich ist.

Da sich die oben erwähnte Kompression die Eigenheiten und Regelmäßigkeiten einer Sprache stark zunutze macht, gibt und gab es weltweit viele Kurzschriften. Sie variieren mit Sprache, Region und Zeit. In Deutschland und Österreich weitgehend durchgesetzt hat sich heute die Deutsche Einheitskurzschrift (DEK). Sie entstand in einem langjährigen, internationalen Einigungs- und Entwicklungsprozess und wurde 1924 in Kraft gesetzt. Nachdem man die DEK viele Jahrzehnte mit Erfolg genutzt hatte, erfuhr sie 1968 die letzte große Überarbeitung. Weil man mit ihr der Geschwindigkeit gesprochener Sprache problemlos folgen kann, wird sie heutzutage in vielen Parlamenten und Landtägen Österreichs und Deutschlands zur Protokollierung des Sitzungsgeschehens verwendet. Dort ist (um bei der Analogie der Komprimierung zu bleiben) verlustfreie Kompression gefordert. Alle Reden, Zurufe und Beschlüsse müssen exakt festgehalten werden. Es macht im Protokoll also einen Unterschied, ob jemand großteils oder größtenteils sagte. Die Verbindung von Geschwindigkeit und Präzision ist das, was die DEK besonders geeignet für handschriftliche Aufzeichnungen macht. Gepaart mit ihrer langjährigen Erprobung in der Praxis, den wiederholten Systemverbesserungen und der freien Verfügbarkeit von Lehr- und Lernmaterialien im Internet macht sie dies zu einer äußerst attraktiven Kurzschrift.
Aber wo Vorteile sind, sind auch Nachteile. Der erwähnten Komprimierung muss beim Lesen des Stenogramms (des in Kurzschrift verfassten Texts) natürlich eine Dekomprimierung folgen. Und hier ist wieder unser Gehirn gefordert. Je nach Grad der Kompression – die DEK kennt deren drei: Verkehrsschrift, Eilschrift und Redeschrift – gehört eine Menge Übung und Erfahrung dazu, einen Text zügig in allgemein verständliche Sprache zurück zu übersetzen. Während ein verkehrsschriftlicher Text genau so fließend gelesen werden kann wie Langschrift, dürfen bei redeschriftlichen Texten oft nur Minuten bis zur Übertragung vergehen, damit noch alle Wörter zweifelsfrei entziffert werden können. Dafür befähigt die Redeschrift aber auch, schneller zu schreiben als man sprechen oder gar denken kann – eine beeindruckende Leistung. Ein anderer Nachteil der Deutschen Einheitskurzschrift ist, dass sie gegenüber ihren Alternativen (im deutschen Sprachraum vor allem Stiefografie und Stolze-Schrey) einige komplizierte Regeln aufweist. Diese erweisen sich häufig erst in den höheren Systemstufen Eilschrift und Redeschrift als sinnvoll und werden als hinderlich für das Erlernen und Anwenden der DEK kritisiert.
Wen das nicht abschreckt, für den bietet mein Stenoblog einen Beitrag zu den informativsten Online-Ressourcen zur Deutschen Einheitskurzschrift (darunter freie Lehrbücher für alle drei Systemstufen) und Hinweise zum Üben der DEK. Kurzschrift in Aktion kann auf meiner Seite zu Stenogrammen gesehen werden, dort findet ihr mehrere Texte zu meinem Studienbereich in Verkehrsschrift. Bei Fragen zur DEK wendet euch bitte über das Kontaktformular an mich, sehr gern teile ich meine Begeisterung und Erfahrung!